Pater Gebhard Kohler, Gründer
der Zen-Jou Community, geboren
in Deutschland, dort verschiedene
Studien, lebt in Japan und kommt
zweimal pro Jahr nach Europa,
um das in Ostasien Eingeholte –
integriert in den Glaubens-Weg
der christlichen Offenbarung –
in seinen Sesshins zu vermitteln.
Auszug aus P. Kohlers Buch "SHUGYŌ":
Unterwegs – wohin?
Das Tor zum hier dargelegten Erfahrungs-Weg hat sich –
längst gesucht – im ersten Augenblick der Begegnung mit
P. Enomiya Lassalle aufgetan. Achtzehn Jahre des Auf-dem-
Weg-seins mit ihm ließ das von Anfang an als authentisch
Erfahrene in der Entschiedenheit zum Weg reifen. Jedoch,
das Wohin blieb und bleibt stets gegenwärtig! Geht es nicht
darum, zur Wurzel des Weges – dem eigentlich Gesuchten –
durchzustoßen? Den Grundstein hat P. Lassalle gelegt, das
Weiter liegt in den Händen all derer, die – aus verschiedenen
Traditionen und Weg-Verständnissen – auf dem Weg sind,
das gesuchte Juwel einzuholen und weiterzugeben.
Den Begegnungen mit Zen-Meistern in Japan, Korea, China
und Taiwan folgen vielfach gemeinsame Übungs-Perioden
mit den Mönchen. An dieser Stelle sollen vor allem diejenigen
Tempel genannt werden, mit deren verantwortlichen
Meistern – unter ihrer Unterweisung – längerfristig der Weg
praktiziert wurde.
An erster Stelle ist Tenryūji in Kyōto zu nennen. Dreizehn
Jahre nahm ich unter der Leitung von Hirata Rōshi in diesem
Tempel an den Sesshins teil. Ihm und seinen Mönchen
verdanke ich viel, ging es doch darum, die Nuss-Schale zu zertrümmern.
In Mampukuji, Ōbaku, unter der Leitung von Sengoku Rōshi,
kam das chinesische Element – korrespondierend mit den Erfahrungen
in China und Taiwan – in den Sutras, im Zendō
und auch im Miteinander zum Tragen. Durch die Verbundenheit
über viele Jahre mit Sengoku Rōshi erschlossen sich
auch wichtige Texte, die uns den Zen-Weg von verschiedenen
Traditionen offen legten, um Verengungen im Verständnis
des Weges aufzubrechen.
In Kora, Paeg Yang Sa, unter der Leitung von Seo Ong Sinim,
war die Erfahrung des koreanisch geprägten Zen-Weges das
Praktizieren des Weges, die eine weitere Verständnis-Dimension
erschloss. In der ursprünglich indischen Tradition ist das
Jahr in vier Übungs-Periode eingeteilt, in zwei je dreimonatige
Sesshin- und in zwei je dreimonatige Wander-Perioden
– von Tempel zu Tempel; diese Weg-Praxis ist bis heute in
Korea lebendig. Der eigenen Art der Wegweisung von Seo
Ong Sinim fühle ich mich aufrichtig verbunden.
Neben den drei genannten exemplarischen Tempel-Erfahrungen
gibt es noch viele Begegnungen – auch verbunden
mit Sesshins – mit Meistern und Mönchen, wodurch die
Vielfalt der Schulbildungen deutlich wurde: eine Mannigfaltigkeit
geeint im Grundverständnis, der Finsternis des Bewusstseins
– Mumyō – auf die Spur zu kommen, auf dass es
sich lichte. Das Einholen des Weges ist von Anfang an verwiesen
auf das Miteinander: das sich öffnende und weitende
Darüber-hinaus in das je Größere, das uns trägt und erhält.
In allen Begegnungen mit Meistern und Mönchen in Ostasien
war eine große Offenheit im Mit-teilen des ihnen anvertrauten
Weg-Verständnisses zu erfahren.
Letztlich geht es im Durchschreiten der uns gegebenen Lebens-
Zeit darum, dass sich unser Bewusstsein weitet auf das
Unendliche hin. Versuchen wir den Shugyō-Weg plakativ zu
beschreiben, dann sind es drei zu durchschreitende Dimensionen:
die mikro-kosmische Dimension seiner selbst zu erkennen;
der makro-kosmischen Dimension – der Vernetzung der
Bedingungen unseres Lebens – bewusst zu werden; die Erfahrung
unseres mikro-makro-kosmischen Verwiesen-seins
erschließt uns die eigentliche Dimension unseres Verwiesenseins
auf das Leben-Selbst.
Die Vermittlung des Weges kann dank suchender Menschen
– bereit, sich über die Jahre darauf einzulassen – gelingen.
Der Aufruf zum Erwachen umfasst unsere in Gemeinschaft
vollzogene Zen-Übung, das Tat-werden der Übung im Alltag
und den Gottesdienst. In diesem Dreiklang ist der Weg vermittelt,
auf dem alles integriert und letztlich im Gottesdienst
aufgehoben werden muss. Hier wird uns neu bewusst, dass
die aus dem Osten eingeholten Übungs-Wege unserer christlichen
Tradition – unserem Kulturträger – nicht widersprechen,
sondern vielmehr durch ihre Integration in der gegenwärtigen
Herausforderung für die Gesundung des religiösen
Bewusstseins notwendig sind. Der Zukunft sei es überantwortet!
Erprobt und bewährt wird das aus dem Osten im Westen
Vermittelte dorthin zurückwirken.