Gründungs-Charta (Entwurf)
Im Vertrauen auf die Führung dessen, der uns das Leben – Licht – schenkt, gründen wir zur Bewusst-Werdung der uns aufgetragenen Verantwortung die Zen-Jou Community – return to the source of life.
Dies vor allem:
- zur Befreiung aus der Finsternis, die uns gefangen hält;
- zur Erhaltung der Schöpfung;
- zum Gedeihen der Lebens-Gemeinschaft: orientiert in ihrem Mit-, Von- und Zueinander am Leben-Selbst.
Immer deutlicher zeigt sich, dass unser gemeinsames Bemühen, dem Authentischen des Lebens tiefer auf die Spur zu kommen, einen Mangel aufweist: Dies muss uns bewusst werden. Die Sesshins und ihre Integration in die tägliche Lebens-Praxis sind zwar ein unerlässlicher Teil des Weges. Ist jedoch der Weg, den wir Übung und Verzicht nennen, ausgerichtet hin auf das Identische, dann genügt das Verbleiben bei sich selbst nicht mehr: Untrüglich öffnet sich das Dasein für sein authentisches Verwiesen-sein. Das Leben-Erhaltende, das sich im Verwiesen-sein manifestiert, ist von uns nicht nur wahrzunehmen, sondern wir müssen bewusst daran partizipieren, ja, letztlich selbst existentiell ein Teil davon werden. Konkret heißt dies: Das aus dem gemeinsamen Praktizieren kommunikativ Erfahrene ist selbst nicht etwas zum Festhalten, sonst erstarrt es, denn es lässt sich nicht verdinglichen. Vielmehr spiegelt sein authentisches Moment die Identität der Kern-F. Hier ist es faktisch grundgelegt, so dass das Identische in uns erfahren werden kann. Um seine Früchte zu zeitigen, ist unser Anteil-haben darauf verwiesen, vom Identischen durchdrungen zu werden (→Joh 15,1-8). Erst im Erfüllt-sein vom Leben kommt uns die Einsicht zu, dass wir aus uns selbst niemals ein Etwas sein können. Dies gibt uns schließlich klar zu erkennen, dass jegliches Vorstellen und Meinen über uns selbst nicht die Qualität hat, noch haben kann, die wir uns selbst zuschreiben. Das Bewusstsein des Nicht-etwas-seins sollte unabdingbar den ganzen Übungs-Weg begleiten, damit sich keine illusionäre Ich-Sicht einmischen kann.
Das Bewusstsein des Menschen gewinnt auf dem vermittelten Weg – Übung und Verzicht - an Transparenz und kommt dem Wirken des sich uns bemächtigenden und uns manipulierenden Zeitgeistes auf die Spur: Das hier gewonnene Frei-werden öffnet dem wirklich Suchenden und aufrichtig Praktizierenden das authentisch gegebene Beziehungs-Netz unseres Daseins. Aus der Überzeugung, dass gerade die Verwirklichung des Frei-werdens heute für uns notwendig ansteht, gründen wir die Zen-Jou Community – return to the source of life mit den vorgenannten Zielen; die von uns beabsichtigten und in Zukunft vorzulegenden Texte mögen dazu beitragen.
Wird Zen-Jou – Übung und Verzicht – authentisch praktiziert, dann ist das daraus geborene Handeln nicht mehr in Verengungen – um sich zu sichern - gebunden, sondern es wird frei und kann eben dadurch zu einer tieferen Manifestation dessen werden, was das Leben-an-sich ist, ja, für uns alle sein will.
Alles hier Erwogene trifft auch die Teilnehmer an unseren Sesshins. Denn soll der von uns vermittelte und praktizierte Weg gelingen, ist er von ihnen mit zu tragen. Das Mittragen geschieht bereits in verschiedener Hinsicht: Auch die von uns verfassten Texte sind nicht ohne die Sesshin-Teilnehmer geschrieben; darin finden die Fragen und Schwierigkeiten aus dem gemeinsamen Praktizieren ihren Niederschlag. Neu ist allerdings, dass wir uns bewusst werden müssen: Die aufgrund der Praxis von Übung und Verzicht gewonnene transformative Kraft will – gemäß ihrer Natur – das Handlungs-Feld unseres Lebens tangieren.
Unsere Texte sind keine Erkenntnis-Objekte – wer sie so liest, geht fehl –, sondern sie wollen einladen, Übung und Verzicht zu praktizieren. Das Praxis-werden des Weges und das Einholen des Niedergeschriebenen vollziehen sich gegenseitig in einem rückbezüglich sich stützenden Prozess. Von sich selbst frei zu werden und zugleich für andere Wegweisung zu sein, schließt sich dann nicht mehr aus.
Die Befreiung durch Übung und Verzicht - Shugyō - beginnt mit der Einsicht der Befleckung durch die Objekte. Über die Realisierung des Zustandes anhaltenden Freiseins von der Begierde gelangt der Übende im Wissen seiner absoluten Nichtigkeit zum von Raum und Zeit nicht Begrenzten: ein authentischer Durchbruch, von dem er nicht mehr rückfällig werden kann. Um das Gesetz des Lebens empfangen zu können, musst du aufrichtig zu dessen Annahme bereit sein, was nur das Leben-Selbst in dir erwecken kann. Erst dann haben alle Vermögen – vereint wirkend – an Seiner Wahrheit Anteil.
Das fleckenlose Wissen ist uns gegeben in der Lebens-Dynamis, der Identität der Kern-F. Dagegen basiert das materiegebundene Bewusstsein der Differenz auf den natürlichen Vermögen, die allen existierenden Dingen – gemäß ihrer Ordnung im Ganzen – gegeben sind. Dessen ungeachtet haben die Vermögen in sich selbst keine unabhängige Kraft, in Erscheinung zu treten. Die natürlichen Kräfte der Differenz finden aufgrund einer Verknüpfung mit der Lehre und dem Praktizieren ihren Weg zur Integration in die Lebens-Kraft und können sich als solche entfalten.
Der Weg ist durch eine lange Nacht ein Folgen dem Gesetz des Lebens, um letztlich in Ihm geboren zu werden (→Joh 3,1ff). Darin besteht das große überirdische Durchdringen, das Frei-werden von der falschen Sicht über das Ich und der Ansicht von Existenz und Nichtexistenz. Das unbegrenzt Wirkliche – der Beweggrund des Alls –, an dessen Wirklichkeit die Identität aufgrund der Verknüpfung – als Eins-sein im Unterschieden-sein – partizipiert, ist der Schlüssel zum Tor des uns gegebenen authentischen Lebens. Mit anderen Worten, die Identität, das unbegrenzt Verwiesene, dessen kommunizierendes Moment über sich hinaus weist, will - obschon in ihr kein Mangel ist – das hier als paradox Erfahrene, das notwendig aufzulösen ist, uns deuten: Die Auflösung ereignet sich erst dadurch, dass das Leben-Selbst die Identität durchdringt. Ist die Notwendigkeit dieses Durchdringens uns nicht stets bewusst, kann die Erfahrung der Identität großen Schaden stiften.
Parallel auf einer niederen Stufe befindet sich die Differenz: Die Beschaffenheit ihrer Vermögen ist zwar begrenzt, aber im Verwiesen-sein auf die Identität – zweifellos in ihrem Abhängig-sein - ist ihre Möglichkeit, um authentisch wirksam zu werden, unbeschränkt. Das Bewusst-werden ihrer Abhängigkeit ist entscheidend für ihre Integration in die Identität. Dies ermöglicht der Differenz die Einsicht ihrer selbst und dadurch das Verkosten des wahren Lebens. Die ganze Schöpfung, die ihrer Befreiung harrt, hat teil an diesem Wandel, denn der Mensch verwirklicht erst hierdurch für sie seine Verantwortung.
Leider ist es eine Tatsache, dass der Verirrte lange Zeit – sogar bis zum Schluss – sein Verirrt-sein nicht erkennen kann. Hierzu uns einen Zugang zu erschließen, vermag letztlich nur die in allem untrennbar waltende kosmische Energie aus dem Leben-Selbst; weder Materie noch Bewusstsein, auch nicht Intelligenz sind dazu fähig. Diese kosmische Energie wirkt als das verursachende Prinzip hinter allen kosmischen Phänomenen, als Kraft in der Materie und als Lebenskraft im lebendigen Körper.
Die in uns natürlich wirkende, angeborene Furcht vor dem Unergründlichen muss durch Übung und Verzicht letzten Endes in Ehrfurcht münden: das Gewahr-werden, dass das Leben nicht verraten werden darf, denn sonst verkümmert die Ehrfurcht. Was unserer Zeit schwer anlastet und im Bewusstsein des heutigen Menschen sich vielfach Ausdruck verleiht, ist der Lebensvollzug, aus dem die Ehrfurcht verdrängt ist. Nahezu hat es den Anschein, als stünde die Ehrfurcht vor dem Leben in Gefahr, verbannt, ja, aus dem Herzen der Menschen ausradiert zu werden. Indem das Ohne-Ehrfurcht - weil es Bürgerrecht hat – nach allem greift, wird das Leben der Verdinglichung unterworfen.
Jedoch, das uns geschenkte Leben darf nicht verraten werden. Wir stehen in der Pflicht, diesen Verrat nicht nur aufzudecken, sondern den Menschen auch einen Weg zu weisen, auf dem unser Tun und Lassen sich aus der Ehrfurcht bestimmt. Durch das Praktizieren von Übung und Verzicht kann die in uns grundgelegte – vom Leben nicht zu trennende – Ehrfurcht, das aus ihr entspringende Vertrauen und Dankbar-sein, wieder erwachen. Das in unserer Zeit in Veränderung sich befindende Bewusstsein ist ohne Beschränkung darauf verwiesen, dass es im Umbruch des sich Veränderns in der Ehrfurcht verankert ist, denn sie bewahrt in allem Wandel die Grund-Werte des Lebens.
Erläuterung zu Zen-Jou Community – return to the source of life
Die Zen-Jou Community – return to the source of life zielt in ihrer Grund-Intention auf das Einlösen der Reintegration der Menschen in ihre Lebens-Quelle. Es geht um das Heraus aus dem kollektiv vermittelten Wahrheits-Anspruch, dessen Feld heute selbst die Kirche kaum mehr tangiert. Deshalb will Übung und Verzicht im Durchleiden des eigenen So-seins zu einem Disponiert-sein führen, zur Bereitschaft, die eigene Verantwortung - im Mit-leiden für das Gelingen des Lebens überhaupt - wahrzunehmen. Das Einlassen des Wahrgenommenen reinigt das Bewusstsein, erst dadurch öffnet es sich hin auf das Ganze der Lebens-Gemeinschaft, nämlich hin auf ihren vom Schöpfer in sie gestifteten Sinn: Unser Handeln kann dann aus der erkannten Verantwortung Tat werden.
Durch den ursündlichen Virus ist unser Identitäts-Bezug geschädigt: das Bewusstsein, das die Ich-Anhaftung keimen lässt, wird erweckt. Die in uns ursächlich grundgelegte authentische Identität wird nun durch das Bewusstsein einer Pseudo-Identität ersetzt. Nur im aufrichtigen Suchen nach dem Leben geschieht das Bewusstwerden der in uns geschichteten Widersprüche, nämlich der Dispositionen. Identifizieren wir uns nicht mehr mit ihnen, können sie ihrer Auflösung zugeführt werden, was uns das Entdecken und Finden des Lebens – um es letztlich zu gewinnen – ermöglicht (→Mt 13,44 - 46).
Durch angenommenes Leiden geschieht Läuterung des instrumentellen Bewusstseins, außerdem lässt sie das uns je aufgetragene Werk auch wahrnehmen: teilzunehmen am Heilsplan Gottes. Leiden ist zwar nicht Selbstzweck, aber erst in und aus ihm erschließt sich uns das Dasein natürlicherweise als verantwortetes Mit-sein. Eine entschiedene und im Vertrauen gefestigte Haltung im täglichen Lebens-Vollzug befähigt uns unter Einsatz der gegebenen Vermögen zu einer je tieferen Übereinstimmung mit dem Leben. Im Verzicht auf alles - nicht nur auf das, was uns am Voranschreiten hindert, sondern auch auf jede Vorstellung über das, was das Einzuholende sei oder sein könnte – werden wir frei, um vom Leben-Selbst erfüllt zu werden; so lässt sich das Noch-Unbekannte des Lebens – sein Anders-sein – erfahrend einholen.
Wie lässt sich Übung und Verzicht als Einheit auf dem zu praktizierenden Weg einlösen? Dies geht nur im Vertrauen auf das Leben-Selbst, das uns Tragende und Erhaltende, ohne schon angekommen zu sein. Als eine Hilfe hierzu sind uns die Erkenntnis-Vermögen gegeben, durch deren Aktivität, mit dem uns tragenden Umfeld zu kommunizieren, die genannte Ausrichtung sich für uns stützt. Jedoch, letztlich geht es um das Saatkorn des Glaubens, das in uns erweckt werden muss. Wohl dem Menschen, in dessen Grund es wurzelt und Früchte trägt (→Mt 13,1 – 58).
In der Übung, bloß das Meine zu suchen, wird verhindert, die uns aufgetragene Pflicht in Übereinstimmung mit dem Leben Tat werden zu lassen.
In der Übung des Verzichts dagegen geschieht Bereitung, um das Leben-Selbst empfangen zu können: „Denn: Jedem der hat – dem wird gegeben, ja überreich geschenkt. Wer aber nicht hat, dem wird auch das, was er hat, genommen“ (Mt 25,29).
Des
Lebens Verneinung vs. deren Tilgung
Die
Entzweiung in der Kern-F, dass das unabdingbare
Zueinander der
Differenz zur Identität beeinträchtigt ist, ist durch
„den Biss der Schlange“ -
ihren ursündlichen Virus - verursacht. Es ist dem durch Neid
aus der Einheit
mit dem Leben-Selbst Herausgefallenen gelungen, diese Entzweiung als
Wider-Sinn
in das menschliche Herz einzustiften. Hierdurch ist das kommunikative
Moment
zwischen der Identität und der Differenz tief verwundet, ja,
das sie
Verbindende und zueinander Ordnende ist vergiftet. Deshalb kann die
Differenz
die Identität ohne weiteres nicht vernehmen, geschweige denn,
von ihr
durchdrungen werden. Nun entsteht die Möglichkeit, dass die
Differenz von dem
in ihr wirkenden Wider-Sinn gegen das Leben-an-sich gestimmt wird; er
kann sie
sogar beherrschen und in ihr das Bewusstsein erzeugen, sie sei in sich
selbst
völlig autark.
In der Taufe und im Empfangen der übrigen Sakramente soll in uns das kommunikativ Trennende zwischen Identität und Differenz aufgehoben, die Differenz in sich selbst durchlichtet und die uns gegebenen Grund-Vermögen in ihre ursprüngliche Übereinstimmung zueinander zurückgeführt werden. Das Wahrnehmen, dass das Widersetzliche zum Leben-Selbst nicht nur uns, sondern auch die ganze Schöpfung trifft, muss in uns wach werden, denn durch jegliches Fehlhandeln ist das ganze Universum in Mitleidenschaft gezogen. Um dem eingelassenen Unheil zu entkommen, sind wir auf die heilende Kraft aus dem Leben-Selbst verwiesen, an der auch die Schöpfung - durch unser Heil-werden - teilhaben muss; dieses Zugehörig-sein nicht zu ignorieren, ist der Schlüssel, um zur ursprünglichen Einheit zurückzufinden.
Soll das mit den Sakramenten uns Gegebene sich einlösen, ist das rechte Mitwirken unsererseits unentbehrlich: Übung und Verzicht ist hierfür eine notwendige - in die Tat zu setzende - Praxis. In dem Maße, wie sich die zerstreuten Vermögen sammeln, wird uns das Identifizieren mit dem im Bewusstsein gespeicherten Wider-Sinn zum Leben-an-sich unausweichlich einsichtig. Trifft der sakramental empfangene Akt dieses Einsichtig-werden, wird unser Mensch-sein ganz durchwirkt: das Authentische – die Identität der Kern-F – wird wachgerufen. Hierbei geht es um die Bereitschaft, das Ausgesöhnt-sein durch das Werk der Erlösung anzunehmen, mit anderen Worten, um die Tilgung der in uns gestifteten Feindschaft überhaupt.
Das Üben im Verzicht – mit den gegen das Leben agierenden Kräften in uns sich nicht zu identifizieren – hat seine Voraussetzung im Shugyō: Sollen die uns gegebenen Vermögen in Eins wirken, sind sie zunächst zu entstören, damit sie aus der Lebens-Dynamis ihre wahre Bestimmung empfangen können. Für alles Suchen nach der Ursprünglichkeit des uns geschenkten Lebens sind wir auf das Zueinander dieser zwei Wirkweisen – entstören und empfangen – verwiesen. Die Möglichkeit, sowohl zu entstören als auch Shugyō voll wirksam werden zu lassen, ist in der Lebens-Dynamis grundgelegt. Deshalb konnte und kann Zen-Jou – wie vieles, das sich ausrichtet auf ein tieferes Verständnis dessen, was das Leben-an-sich sein will – der Menschheit von Anbeginn als ein befreiender und zugleich zur Umkehr einladender Übungs-Weg zukommen. Jedoch erst dadurch, dass Christus, „das Geheimnis, das vor den Weltzeiten und vor den Geschlechtern verborgen war“ (Kol 1,26) offenbar wurde, konnte die Einsicht es erfassen: „in dem [im Messias] alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind“ (Kol 2,3)
Entscheidend ist hier für uns, zu sehen, dass in Christus alle Werte und Erkenntnisse, die vor seinem Kommen der Menschheit zukamen, ihre Integration finden: „Denn in ihm wurde erschaffen das Allsamt: … durch ihn und auf ihn hin“ (Kol 1,16). Mit ihm und durch ihn kommt zwar etwas radikal Neues, aber das vor ihm Gegebene soll nicht aufgehoben, sondern erfüllt und in ihm zur Vollendung geführt werden (→ Mt 5,17-20; Lk 5,36-39). So ist auch im Zen – dhyãna - von Anfang an die Möglichkeit zur Entfaltung grundgelegt, um in Ihm zur vollen Gestalt und Erfüllung des in dieser Übung Gestifteten zu reifen. Erst durch Ihn kommt das mit Zen-Jou gegebene universal kommunizierende Moment voll zum Tragen, das ist: „der Messias unter euch“ (Kol 1,27). Ist Shugyō im Nicht-Besitzergreifen fest gegründet, öffnet sich das Tor zum Leben.
Yugawayama, den 8. Dezember 2007
P. Gebhard Kohler
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